Sonntag, 30. Juli 2006
SPD sozialpolitisch am Ende der Fahnenstange
Friedhelm Fahrtmann sagt sehr offenherzig, warum die SPD ihre alte sozialpolitische Linie nicht fortsetzen kann.

http://www.welt.de/data/2006/07/27/975260.html

Ich habe Fahrtmann einmal persönlich kennenlernen können und hatte bei dieser Begegnung der Eindruck,l einen ausgesprochen ehrlichen und aufrichtigen Menschen vor mir zu haben, was bei Politikern ja durchaus nicht so häufig ist. Insofern glaube ich ihm, dass er genau meint , was er sagt. Dennoch offenbart der Beitrag auch die Fantasie- und Perspektivlosigkeit der politischen Diskussion in Deutschland und noch mal besonders in der Sozialdemokratie. Der Globalisierungsdruck ist nichts, was wie eine Naturgewalt über Deutschland gekommen wäre. Zwar ist die Schaffung eines einheitlichen Weltmarktes als Grundtendenz essentielles Merkmal der politischen Ökonomie, wie schon Marx erkannte und zwangsläufige Folge des tendenziellen Falls der Profitrate im Weltmaßstab. Aber auf der anderen Seite ist dieser Globalisierungsdruck von Seiten des Kapital (oder besser gesagt, der in internationalen Institutionen führenden Kapitalfraktionen, für den Mittelstand sieht das völlig anders aus) politisch erwünscht, und mit Hochdruck wird in G8, WTO, IWF und Weltbank seit anderthalb Jahrzehnten die Schaffung eines weltweiten freien Marktes und eines weltweiten Angebots nicht nur von Waren sondern auch Dienstleistungen forciert, sichern längst internationale Verträge den globalisierten Markt ab. Aber auch internationale Verträge können aufgekündigt oder gebrochen werden, es könnte auch sein, dass negative Folgen der Globalisierung die führenden Industriemächte zurück zum Protektionismus bringen werden und dazu, ihre Interessen in abgeschotteten geografischen Großräumen zu organisieren, auch wenn es zurzeit danach überhaupt nicht aussieht. Angenommen, Deutschland baute seinen Sozialstaat auf Basis höherer Steuern wieder aus und sicherte sich gegen Abwanderung von Unternehmen ins Ausland durch ein knallhartes Standortsicherungsgesetz ab, das die Beschlagnahme und Enteignung von Produktionsmitteln bei Betriebsschließung und Verlagerung ins Ausland vorsieht, wie würde die Welt "draußen" dnen reagieren? Etwa Truppen schicken? Wohl kaum. Versteht mich recht: Ich will solche politischen Abenteuer gar nicht vorschlagen, mich stört die Eindimensionalität der aktuellen politischen Debatte. Offensichtlich sind soziale Leistungen in Deutschland auch immer nur in einem bürokratischen Rahmen vorstellbar. Angenommen, man würde AlG2-Empfänger einfach in Ruhe lassen, sie nicht zwingen, ihre angesparten Vermögenswerte aufzubrauchen, ihnen die Knete ohne Arbeitszwang und Ein-Euro-Jobs infinitum auszahlen und dafür die Arbeitsagenturen dicht machen und Sozialämter auf ein Minimum verkleinern (oder gleich ganz die garantierte soziale Grundsicherung einführen), es würde mich nicht wundern, wenn wir damit einen sehr sozialen Sozialstaat bekämen, der nicht teuer ist als der Jetzige, oder unterm Strich sogar billiger. Aber Fantasie in der sozialpolitischen Diskussion, das will hierzulande niemand.

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Ganz ehrlich, ich würde ein "knallhartes Standortsicherungsgesetz ab, das die Beschlagnahme und Enteignung von Produktionsmitteln bei Betriebsschließung und Verlagerung ins Ausland" begrüßen.

Es geht aber auch weniger radikal: Man könnte ein Gesetz erlassen, das die verzinste Rückzahlung von sämtlichen erhaltenen direkten und indirekten Subventionen im Laufe der vergangenen 25 Jahre vor Auslagerung ins Ausland erzwingt. Auch schön.

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% mich stört die Eindimensionalität der aktuellen politischen Debatte %

Halleluja, Du sprichst mir aus der Seele!!!

Ich teile wohl die Einschätzung von Herrn Farthmann, wenn er bemerkt, dass die SPD politisch nichts zu verkaufen habe - aber nur, was den Moment betrifft. Ich kenne ein paar junge SPD-Politiker, die nicht glauben, man müsse einen Ersatz für Sozialpolitik finden. Man muss ihr nur wieder Leben einhauchen - und dazu braucht es Phantasie.

Von visionslosen Exekutoren der Kostensenkungsreformen kann man das nicht erwarten. Herr Farthmann weist sogar noch den richtigen Weg: wenn die SPD wieder etwas zu verkaufen hat - außer ihre Ideale ['tschuldigung, kleiner Kalauer] - , und sich noch ein paar redliche "Volkstribune" finden, dann geht auch wieder 'was mit der SPD ... vielleicht sogar noch in diesem Leben ... :-)

http://www.notizblogg.de/ulysses/2006/07/30/gedeihlich-ists-den-leu-zu-wecken/

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"Wer hat uns verraten?"

hehehe

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Seit 1918 immer wieder ein Klassiker. Das Imperium schlägt daneben - Spezialdemokraten.

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fahrtmann hat da nur gesagt, was die darsteller bei der spd wenn nicht wissen dann doch ahnen: dass ihre zeit als der ideelle facharbeiter bzw. öffentlich-bediensteter vorbei ist.

eigentlich ist das ganze sozialdemokratische milieu weggebrochen, übrigens sieht es bei der cdu so ähnlich aus, denen ist das katholische milieu gründlich abhandengekommen.

schlechte zeiten für volksparteien, interssante zeiten für alle die, die sich mit gesellschaftlichen frahgen und entsprechenden beobachtungen beschäftigen.

der einheitliche weltmarkt ist zwar tendenz, das mit dem komparativen vorteil hat schon ricardo herausgefunden, auch ein interessanter mann, btw. der einheitliche weltmarkt hat aber gute aussichten, tendenz zu bleiben.

weil, es gibt da noch eine andere tendenz: märkte in angemessener grösse zu schaffen und gegen die konkurrenz abzuriegeln. so etwa, den deutschen zollverein ins etwas grössere gedacht (dar liegt eienr der denkfehker der nationalisten, die einerseite von der autarkie träumen, andererseits gegen den morgenthau-plan polemisieren): das ist doch der sinn und der zweck der eu, ein adäquates marktgebiet - fehlt noch die rohstoffbasis, ganz genau, da liegt russlands chance, warum kommt das beitrittsgesuch nicht? - gegen die konkurrenz der us of a und japan abzuriegeln.

ach so der sozialstaat:
meine forderung: wir haben genug qaulifizierte empfänger von leistungen nach sgb zwo, so dass eine selbstverwaltung dieser leistungsempfänger (diejenigen, die bisher damit befasst sind, möchten sich bitte zwanglos hinten anstellen) nicht nur möglich, sondern zu fordern ist.

ebenso wie ein verzicht auf aufwendige anspruchsprüfung im einzelfall, es ist die aufwendige verwaltung, die diese ausgaben so unbezahlbar macht.

von daher ist hier von den volksprteien nichts zu erwarten, weil nicht die anspruchsberechtigten sondern die anspruchsverwalter deren klientel sind.

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Ebenso kluge wie klare Worte!

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